Wiener Privathotels trotzen den Herausforderungen
Herrscht für Privathoteliers in Wien noch ein gesunder Druck oder handelt es sich bereits um einen schädlichen Verdrängungswettbewerb? Um diesen Fragen nachzugehen, hat Christie & Co die Entwicklungen in der Privathotellerie der österreichischen Bundeshauptstadt untersucht und Experten dazu befragt.
Business. Built around You.
Christie & Co has provided valuable advice to clients within our specialist sectors for over 80 years.
Wien. Kaum eine Branche ist in den letzten Jahren so unter Druck geraten wie die Wiener Privathotellerie. Hotelmarktspezialist Christie & Co hat die Marktentwicklungen in einer aktuellen Studie untersucht und private Eigentümer und Betreiber in der österreichischen Bundeshauptstadt zu ihrer Einschätzung sowie den Herausforderungen und Zukunftsaussichten der Privathotellerie in Wien befragt.
„Die touristische Nachfrage steigt und Wien gilt nach wie vor als sicherer Standort. So werden zunehmend neue Hotels errichtet und internationale Ketten drängen auf den Markt. Die Mehrwertsteuererhöhung, Registrierkassenpflicht, neue Buchungskanäle und Privatzimmervermietung sorgen zusätzlich für eine Wettbewerbsverschärfung“, sagt Simon Kronberger, Senior Consultant Investment & Letting bei Christie & Co in Wien und Autor der Studie.
Angebot und Nachfrage steigen
Die Anzahl an Hotelbetrieben ist in Wien in den letzten 10 Jahren kontinuierlich gewachsen, und zwar um insgesamt 18 Prozent. Noch stärker war allerdings die Steigerung der Zimmeranzahl, die in derselben Periode sogar um 45 Prozent zugenommen hat. „Auffällig ist, dass es in Wien zwar mehr Privathotels als Kettenhotels gibt, letztere jedoch mehr als die Hälfte der Zimmer ausmachen“, erklärt Kronberger. Laut der Studie von Christie & Co haben privat geführte Häuser eine Durchschnittskapazität von 45 Zimmern, bei den markengebundenen Betrieben hingegen sind es 164. Während vor einigen Jahren vermehrt Luxushotels auf den Markt drängten, war seitdem eher ein Trend zu Budgethotels zu erkennen. So gehen die befragten Hoteliers im Gegensatz zu 2013, als die Mehrheit davon überzeugt war, dass vor allem 3- und 4-Sterne-Hotels unter Druck geraten werden, nun von einer Wettbewerbsverschärfung in allen Kategorien aus. „Dennoch führt das 4-Sterne-Segment dieses Ranking an, nicht nur, weil es die meisten Betriebe in dieser Kategorie gibt, sondern auch weil diese den Druck durch günstige 5-Sterne-Qualität einerseits, und den Ratendruck der Budgetkategorie andererseits zu spüren bekommen“, gibt Kronberger zu bedenken.
Doch auch die Nachfrage steigt seit Jahren kontinuierlich. Bereits zum siebten Mal in Folge verzeichnete Wien steigende Ankünfte und Nächtigungszahlen. Mit 3,8 Prozent im Jahr 2016 war die Wachstumsrate im Vorjahresvergleich zwar etwas geringer als 2015 und 2014 mit sechs bis sieben Prozent, kann aber dennoch als stabiles Wachstum betitelt werden.
Hohe Anforderungen an Hoteliers
Dennoch sehen sich die Wiener Privathoteliers auch einigen Herausforderungen gegenüber. Allen voran die im Mai 2016 erfolgte Mehrwertsteuererhöhung, die vor allem durch die unterjährige Anpassung erheblichen Mehraufwand bedeutete. Hinzu kommen regelmäßig zusätzliche Auflagen bzw. eine generelle „Abgabenlast“. Das Bettenwachstum führt zu einer von Hoteliers empfundenen Überkapazität in Wien und zu einer Verschärfung im Verkauf, was zusätzlich auf das ohnehin im europäischen Vergleich schon niedrige Preisniveau drückt. In diesem Zusammenhang trägt auch der Onlinevertrieb über Buchungsplattformen und die damit verbundene Preistransparenz bei gleichzeitig hohen Kommissionen bei vielen Hoteliers zum Unmut bei.
Einige Hoteliers äußern sich aber auch explizit positiv zu diesen Vertriebskanälen; die Meinungen gehen hier also stark auseinander. Neue Vertriebskanäle bieten etwa die Möglichkeit einer individuellen Vermarktung abseits der klassischen Sternekategorien. Im Jahr 2016 gab es bereits über 70 Hotels ohne Kategorisierung. „Anders als noch 2013 sind es nun zunehmend Privathotels, die auf die Kategorisierung verzichten und sich durch einen individuellen Marktauftritt differenzieren“, weiß Kronberger. „Unterstützt wird diese Entwicklung vom digitalen Wandel, der einen breiteren Marktauftritt und größere Aufmerksamkeit bietet. Auf der anderen Seite suchen auch Touristen immer häufiger nach individuellen, authentischen Hotels anstatt standardisierter Kettenhotels“, so Kronberger weiter.
Privathotels punkten bei der Performance
Gemeinsam mit STR, einem der weltweit führenden Anbieter von Performancekennzahlen für die Hotellerie, hat sich Christie & Co die Daten der Wiener Hotels des ersten Quartals 2017 angesehen. Dabei zeigt sich, dass die Hotels ohne internationale Markenbindung in Wien deutlich besser abschneiden als international geführte Hotels. „Entgegen der Meinung vieler Hoteliers schaffen es die Privathotels also sehr wohl, sich bei der Ratendurchsetzung gegenüber dem stärker werdenden Markt an Kettenhotels durchzusetzen“, konstatiert Kronberger. Bei der Auslastung ist die Performance mit durchschnittlich etwa 60 Prozent noch relativ ähnlich, wobei hier die Privathotels bereits um 1,7 Prozentpunkte vor Kettenhotels liegen. Verblüffend ist hingegen der Unterschied bei der Durchschnittsrate: Während Markenhotels auf eine ADR von 88 Euro kommen, liegen Privathotels im Schnitt um fast 10 Euro darüber, also bei 97 Euro. Daraus ergibt sich auch beim Zimmererlös (RevPAR) ein Unterschied von sieben Euro zu Gunsten der Betriebe ohne Marke.
Qualität bei Privathotels steigt
Auch abseits der guten Performance zeigt sich, dass die Qualität an Privathotels stetig steigt. In der Befragung der Wiener Privathoteliers konnte die subjektive Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu 2013 deutlich gesteigert werden. Die befragten Hoteliers zeigen sich auch weiterhin investmentfreudig, um diesen Trend fortzusetzen. 70 Prozent der Eigentümer gaben an, in naher Zukunft in die Hardware investieren zu wollen bzw. diese Investments bereits geplant zu haben. Lediglich 30 Prozent sehen aktuell – abgesehen von laufenden Instandhaltungen – keinen Investitionsbedarf, wobei diese Hotels teilweise kürzlich renoviert wurden oder überhaupt neu auf dem Markt sind.
„Eine Auswertung der Meinungen der befragten Hoteliers führt zum Schluss, dass die Privathoteliers in Wien den wachsenden Herausforderungen trotzen können und ihren fixen Platz am Wiener Hotelmarkt über zunehmende Qualitätssteigerung und Individualisierung zu verteidigen versuchen“, lautet das Resümee von Simon Kronberger.